Im
Fall „Emmely“ hat das Bundesarbeitsgericht
nunmehr mit Urteil vom 10.06.2010, Az.: 2 AZR 541/09
im Rahmen der Revision der Klägerin das die
ursprüngliche fristlose Kündigung für
das Einlösen von zwei fremden Leergutbons im
Gesamtwert von € 1,30 bestätigende vorinstanzliche
Urteil kassiert und der gegen die Kündigung
gerichteten Klage statt gegeben.
Vorab
sei angemerkt, dass das BAG in seinem Urteil die
Grundsätze für sog. Bagatellkündigungen
noch einmal bestätigt hat. Eine Abkehr von
der diesbezüglichen Rechtsprechung ist in der
Entscheidung allerdings nicht zu sehen. Allerdings
hat das Gericht die Voraussetzungen für eine
fristlose Kündigung bei Vertragsverstößen
mit geringem wirtschaftlichen Schaden für den
Arbeitgeber nochmals konkretisiert.
So
bedarf es in diesen Fällen, wie auch bei allen
anderen fristlosen Kündigungen, eines wichtigen
Grundes i.S.d. § 626 Abs. II BGB. Also einen
Grund der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
bis zum Ablauf der geltenden Kündigungsfrist
für den Arbeitgeber als unzumutbar erscheinen
lässt.
Das
Gericht hat klar gestellt, dass es keine „absoluten“
Kündigungsgründe gibt, eine Pauschalisierung
verbietet sich also. Vielmehr ist auf die Gesamtumstände
jedes Einzelfalles abzustellen. Im Rahmen einer
umfassenden Interessenabwägung ist festzustellen
ob das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse
des betroffenen Arbeitnehmers am Fortbestand seines
Arbeitsverhältnisses überwiegt.
Im
Rahmen der Interessenabwägung sind u.a. folgende
Punkte zu berücksichtigen:
-Ausmaß
der Beschädigung des Vertrauens des Arbeitsgebers
durch die Vertragsverletzung
-Das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen
-Das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten
Beschäftigung über die Zeit
erworbene „Vertrauenskapital“
-Die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes
Die
vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend,
sie kann es auch nicht sein, da alle Umstände
des Einzelfalles bei der Interessenabwägung
mit zu berücksichtigen sind. Die sofortige
Auflösung des Arbeitsverhältnisses muss
sich im Ergebnis als angemessene Reaktion auf die
Vertragsverletzung darstellen. Tut sie dies nicht,
kann auch eine bloße Abmahnung als milderes
Mittel der Kündigung vorzuziehen sein.
Im
Falle „Emmely“ hatte die Klägerin
mit der Einlösung zweier fremder Leergutbons
einen erheblichen Vertragsverstoß begangen,
welcher den Kernbereich der Tätigkeit und der
Aufgaben einer Kassiererin, nämlich den Umgang
mit ihr anvertrauten finanziellen Mitteln und Wertgegenständen,
tangiert.
Zu
Gunsten der Klägerin berücksichtigte das
BAG jedoch ihre mehr als 30-jährige Betriebszugehörigkeit
ohne jedwede Beanstandung. Das hierdurch erworbene
hohe Maß an Vertrauen konnte durch den begangenen
Vertragsverstoß nicht vollständig zerstört
werden, wobei im Rahmen der Interessenabwägung
auch zu berücksichtigen war, dass der wirtschaftliche
Schaden für das Unternehmen vergleichsweise
gering ausgefallen war.
Quelle:
BAG PM Nr.42 vom 10.06.2010